Landesdatenschutzpräsident wischt Kunsturhebergesetz zur Seite – mit fraglichen Argumenten

Die Landesdatenschutzämter halten wenig von der bisherigen Foto- und Filmfreiheit. Das haben sie bereits mit ihrer Erklärung vom 9. November 2018 schriftlich dokumentiert. In diesem Text hatte sich die „Datenschutzkonferenz“ gegen die Freistellungen der Presse von der Datenschutz-Grundverordnung ausgesprochen. Zum Glück haben die Landesgesetzgeber diesen Appell ignoriert und die Presse wie bereits zu Zeiten des Bundesdatenschutzgesetzes von den umfangreichen Anforderungen des Datenschutzrechts weitgehend ausgenommen. Denn: vor einem Pressefoto beispielsweise mal eben fragen, ob der/die Gewalttäter/in die Einwilligung zur Fotoaufnahme erteilt, ist kein wirklich realistisches Szenario.

Doch einige Landesdatenschützer/innen geben mit ihrem Einsatz gegen die Foto- und Filmfreiheit nicht auf. Jetzt veröffentlichte der Präsident des baden-württembergischen Landesdatenschutzamtes in einer Fachzeitschrift zusammen mit einer Mitarbeiterin einen Aufsatz, der angeblich zeigen soll, dass die Datenschutz-Grundverordnung sehr wohl im Bereich von Foto und Film zur Anwendung kommt (1). Bei der Veröffentlichung soll es sich laut Präsident Thomas Kranig übrigens um eine reine private Veröffentlichung handeln und nicht etwa eine Positionierung seiner Behörde, wie der Präsident dem DJV auf Nachfrage mitteilte. Warum bei einem privaten Aufsatz eine dienstlich unterstellte Mitarbeiterin mitwirkt, dürfte natürlich das Geheimnis des Präsidenten bleiben. Die Mitarbeiterin hatte die gleiche Auffassung bereits bei einer Tagung im Dezember bekannt gemacht, was in der Öffentlichkeit durchaus als Positionierung des Amtes und nicht das Wirken einer Privatperson wahrgenommen worden war.

Wir erinnern an dieser Stelle auch daran, dass der Bezirksbürgermeister von Neukölln Heinz Buschkowsky vor nicht allzu langer Zeit mit gleichen Argumenten versuchte, Nachfragen zu einem seiner Bücher abzublocken. Ein Journalist, der sich auf das landespresserechtliche Auskunftsrecht berief, bekam vor den Gerichten bestätigt: die angebliche Privattätigkeit war unter den Umständen des Einzelfalls eine dienstliche Angelegenheit, weswegen umfangreiche Informationen zu den Umständen der Erstellung des Buches abzugeben waren. Das aber nur am Rande.

Wie lauten nun die rein privaten Argumente der führenden Kräfte des Landesdatenschutzamtes Baden-Württemberg gegen die Foto- und Filmfreiheit?  Gerichtsurteile wie die des Oberlandesgerichts Köln oder des Landgerichts Frankfurt, in denen die Geltung des Kunsturhebergesetzes festgestellt wurde, sind laut den Datenschützern schon einmal gar nicht wichtig, weil diesen angeblich die Begründung fehlte oder in dieser Frage zu „karg“ ausfielen.

Das wesentliche Argument lautet dann: Das Kunsturhebergesetz sei für die Foto- und Filmfreiheit deswegen nicht mehr anwendbar, weil für Ausnahmeregelung für die Medien nach Artikel 85 Datenschutz-Grundverordnung nur die Bundesländer zuständig wären. Diese aber hätten in keinem Gesetz die Geltung des Kunsturhebergesetzes angeordnet.

Nun könnte dieser Argumentation zum einen entgegengehalten werden: seit wann muss die Geltung eines Bundesgesetzes in einem Landesgesetz bestätigt werden? Zum anderen könnte aber auch darauf hingewiesen werden: mindestens in einem Landesgesetz wird die Geltung des Kunsturhebergesetzes ausdrücklich angeordnet. So heißt es im Landesdatenschutzgesetz Berlin:

§ 19
Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit

 

(1) Soweit personenbezogene Daten in Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, einschließlich der rechtmäßigen Verarbeitung auf Grund der §§ 22 und 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 440-3, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 3 § 31 des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) geändert worden ist, verarbeitet werden, gelten von Kapitel II bis VII sowie IX der Verordnung (EU) 2016/679 nur Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe f sowie Artikel 24 und 32. Artikel 82 der Verordnung (EU) 2016/679 gilt mit der Maßgabe, dass die Haftung nur Schäden umfasst, die durch eine Verletzung des Datengeheimnisses oder durch unzureichende technische oder organisatorische Maßnahmen im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EU) 2016/679 eintreten.

Also explizit im Gesetz: „…einschließlich der rechtmäßigen Verarbeitung auf Grund der §§ 22 und 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie“ (die offizielle Bezeichnung für „Kunsturhebergesetz“/“KUG“).

Was aber schreiben der Präsident des Landesdatenschutzamtes und seine Referentin in ihrem Beitrag? „Ein solcher Verweis [auf das Kunsturhebergesetz] erfolgte jedoch in den Presse- und Mediengesetzen der Länder nicht.“ Nun ist das Landesdatenschutzgesetz Berlin zwar kein explizites Presse- oder Mediengesetz, allerdings dürfte die oben genannte Regelung unter den Umständen sehr wohl in den Bereich der Mediengesetzgebung fallen. Womit das Argument des Landesdatenschutzpräsidenten und seiner Referentin vom Tisch ist. Warum ein solcher Schnitzer? Entweder haben die Autoren die Gesetze zum Thema nicht genau gelesen oder wollten es auch nicht, da sie vor allem ein Ziel hatten: das geltende Foto- und Filmrecht und damit das Kunsturhebergesetz hinweg zu argumentieren. So oder so mehr als bedenklich. Alles spricht dafür, dass hier ein Landesdatenschutzpräsident und eine Referentin nichts anderes tun, als die Forderung der Datenschutzkonferenz vom 9. November 2018 gegen den Wortlaut der Gesetze doch noch zur Realität zu machen. Das Kunsturhebergesetz darf nicht gelten, weil die Autoren es nicht wollen.

Auf die Frage, ob sich an seinen Auffassungen nach dem Hinweis auf den § 19 Landesdatenschutzgesetz Berlin etwas ändere, antwortete der Präsident übrigens nur schmallippig: „Der Artikel ist geschrieben und mag nun gerne diskutiert werden“. Eine Erläuterung, ob er und seine Mitarbeiterin das Gesetz einfach übersehen haben oder aber gute Gründe haben, es zu ignorieren, wollte er auf Rückfrage nicht abgeben. Vermutlich, weil er es eben im Kampfeseifer schlichtweg nicht gesehen hatte?

Red.

 

(1) Zeitschrift für Datenschutz 2019, 4. DS-GVO und KUG – ein gespanntes Verhältnis, Aufsatz von Kristin Benedikt, Thomas Kranig

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