Nur eine Geisterdebatte zur Foto- und Filmfreiheit?

Einige Fragen zum Thema DS-GVO und Foto-/Filmfreiheit an Jan Mönikes, Rechtsanwalt im Bereich IT-, Medien- und Urheberrecht und im Ehrenamt unter anderem als Justitiar des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher (BdP) und des europäischen Pressesprecherverbandes EACD engagiert.

Herr Mönikes, ist die Debatte um die Foto- und Filmfreiheit nicht eine Geisterdebatte? Gibt es denn überhaupt schon einen konkreten Fall, in dem jemand wegen der DS-GVO Probleme mit den Datenschutzbehörden oder anderen wegen Bildern hatte?

Die juristische Diskussion um die Foto- und Filmfreiheit ist weder Panikmache, noch eine Geisterdebatte. Auch Datenschutzbehörden wie etwa das LDA Brandenburg bestätigen inzwischen in ihren Stellungnahmen, dass „es sich nicht lediglich um wissenschaftliche Diskurse, ohne praktische Auswirkung [handelt], sondern um klärungsbedürftige Grundsatzfragen“. Das zeigt sich auch in den konkreten Streitfällen, mit denen ich selbst befasst bin. Sehr deutlich etwa bei einem Fall, in dem ein Abgeordneter vor Gericht wegen der Regelungen des KUG klar und rechtskräftig hinsichtlich eines Bildes mit Kindern im Wahlkampf obsiegt hat, die Datenschutzaufsicht aber trotz Kenntnis dieser Entscheidung erklärt, die streitige Fotografie und ihre Verwendung wären dennoch datenschutzwidrig. Auf ein Bußgeld würde man nur verzichten, weil seine Partei „freiwillig“ erklärt habe, zukünftig nur noch nach den Regelungen der DSGVO Bilder anfertigen und verwenden zu wollen.

Der ungeklärte Konflikt „Informations- und Meinungsfreiheit versus DSGVO“ zeigt sich allerdings nicht nur bei Personenabbildungen, sondern das zieht sich inzwischen durch den gesamten Bereich des Äußerungsrechts und erfasst alle Aspekte professioneller Öffentlichkeitsarbeit, sobald es über das bloße Zeitungslesen hinausgeht. Ich erlebe im Moment kaum einen Fall, in dem nicht der Datenschutz eine Rolle spielt – selbst da, wo eigentlich nur presserechtliche Argumente relevant und nur Fragen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Rolle spielen dürften.

Wie stellt sich Ihrer Ansicht nach die praktische Arbeitssituation von Mitarbeiter/innen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und auch der von Fotograf/inn/en selbst da? Gibt es dort tatsächlich so etwas wie Verunsicherung und Auftragsstornierungen bzw. Rückgänge der Aufträge oder Bildverwendungen?

Die Arbeit in Pressestellen von Behörden und Unternehmen ist in vielfältiger Weise von Regelungen der DSGVO betroffen. Vom Medienmonitoring, über die eigene Weiterverarbeitung im Rechner der Pressestelle, bis hin zu den eigenen Verbreitungskanälen. Dass die Nutzung von sozialen Medien immer schon datenschutzrechtlich umstritten war und das mit dem neuen Recht nicht leichter wird, darauf war man vorbereitet. Das jetzt aber schon die Pflege des eigenen Presseverteilers, die Nutzung von „Zimpel“ oder anderer News-Dienstleistungen in Frage gestellt wird, das hat kaum jemand kommen sehen oder glauben wollen. Vor allem diejenigen nicht, die den Beteuerungen geglaubt haben, die DSGVO würde nur Google, Facebook & Co. betreffen, aber sonst in Deutschland nichts ändern – vor allem nichts zum Negativen.

Die Unsicherheit bezüglich der Anfertigung und des Verbreitens von Abbildungen, z.B. bei Events, beim Sponsoring oder im Rahmen von Employer Branding, ist ein riesen Thema in der PR. Klar, es gibt Pressesprecher oder PR-Agenturen die ignorieren das einfach. Man müsste das daher mal systematisch untersuchen. Aber es fällt nicht nur mir auf, das in Deutschland Menschen immer häufiger nur noch „von hinten“ oder gar nicht gezeigt werden. Dafür braucht man dann in der Tat keinen Profifotografen mehr zu engagieren. Im Zweifel wird selbst in den Medien im Moment lieber auf ausdrucksstarke Abbildungen verzichtet oder man verpixelt oder illustriert gleich nur noch mit Zeichnungen. Denn in der Regel hat man bei Fotografien im Betrieb oder bei Events früher allein auf die freiwillige Einwilligung nach §22 oder die Ausnahmen des §23 KUG gesetzt.

Die DSGVO entwertet diese Rechtsgrundlage jedoch, weil die Einwilligung nicht mehr wie früher nur ausnahmsweise, sondern jetzt jederzeit frei widerruflich ist und damit nicht mehr die nötige Rechtssicherheit in der Nutzung bietet. Die wichtigen Ausnahmen wie „Zeitgeschichte“ oder „Versammlung“ können vielleicht noch in die Abwägung des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO einfließen – das nützt mir nur als Pressesprecher im Bereich des Art. 9 DSGVO, wenn es beispielsweise um Gesundheit oder politische Kontexte geht, nichts. Und da Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens rechtlich oft mit schnöder Werbung gleichgesetzt wird, auch sonst wenig.

Sicherere Rechtsgrundlagen, wie beispielsweise ein Modell-Vertrag, stehen dagegen vielleicht im Marketing, wegen fehlender Budgets oder aus PR-Gründen in der Praxis aber oft gar nicht zur Verfügung. Denn schon der Verdacht, dass die Menschen neben ihrem „Leader“ auf dem Foto nur lächeln, weil sie dafür Geld bekommen und sich vertraglich verpflichtet haben, entwertet die Authentizität total. Absurd, wenn in Folge dessen Vorwürfe von „Fake-News“ erst möglich würden. Wir haben daher im Moment in Deutschland daher die schräge Situation, dass der Veranstalter eines Events die gleichen Motive, die in der Presse frei verbreitet werden dürfen, auf seiner Website selbst nur noch verpixelt zeigt. Was das negativ die Öffentlichkeitsarbeiter trifft, gerade wenn „Gesicht zeigen“ wesentlicher Teil der Botschaft ist, sollte eigentlich jedem klar sein.

Sie fordern rechtliche Klärungen für die Arbeit mit Bildern, Fotos und Videos. Warum? Die Bundesregierung sagt doch, das bisherige „Bild-Gesetz“, das KUG, gelte weiter?

Stimmt ja auch – das KUG ist ja nicht abgeschafft. Nur, der Schluss, dass sich dann außerhalb der Geltung der Ausnahmevorschriften für Presse- und Rundfunk, also für die PR- und Öffentlichkeitsarbeit von Behörden und Privaten, mit dem 25. Mai 2018 nichts geändert habe, den vertritt nach meiner Wahrnehmung neben der Bundesregierung nur noch der „Vater“ der DSGVO, der ehemalige Berichterstatter des Europaparlaments und jetzige stellvertretende Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Jan Philipp Albrecht. Sonst aber eben keiner mehr. Jedenfalls keiner, der dazu auch eine überzeugende rechtliche Begründung liefern könnte.

Das kann man vom Ergebnis her schade finden, war aber vorhersehbar. Spätestens mit der Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder „Umsetzung der DSGVO im Medienrecht“ (https://www.lfd.niedersachsen.de/download/1243469) und der Publikation einer sehr überzeugenden Dissertation aus dem Fachbereich von Professor Hören von der Uni Münster (https://rsw.beck.de/cms/?toc=ZD.60&docid=407132) war seit 2017, allerspätestens aber mit der großen Fachkonferenz des BdP im März 2018 (https://www.bdp-net.de/datenschutzgrundverordnung) klar, dass der Gesetzgeber in Deutschland handeln muss, wenn sich die Rechtslage für den gesamten Bereich der Informations- und Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG durch den Vorrang des Prinzips des „Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“ nicht verschlechtern soll.

Im Bereich des Medienfachrechts, also bei Presse- und Rundfunk, war das ja auch – nicht zuletzt auf Druck des DJV – schnell verstanden. Hier haben die Länder für alle Medien und der Bund bezüglich „seiner“ Deutschen Welle ja auch entsprechend gehandelt und die Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO für die nötigen Ausnahmevorschriften genutzt. Presse und Rundfunk bleiben von den problematischen Teilen der DSGVO daher ausgenommen. Wer im Auftrag einer Redaktion Abbildungen fertigt, für den ändert sich faktisch nichts und für den bleibt auch das KUG uneingeschränkt anwendbar.

Was halten Sie von den Ansichten der Landesdatenschutzbehörden in Brandenburg und Hamburg, die Geltung des KUG sei „unklar“?

Das stimmt leider. Das KUG wird natürlich durch die DSGVO nicht aufgehoben, aber außerhalb des journalistischen Kernbereichs, bei Freien, Bloggern, in der PR- und Öffentlichkeitsarbeit, kann es eben nicht mehr wie zuvor unverändert gelten. Selbst wenn man das anders sehen will, weil einem – wie offensichtlich der Bundesregierung – das Ergebnis der eigenen Untätigkeit nicht passt: Mit der DSGVO addieren sich im nicht-journalistischen Bereich Pflichten hinzu, die in der Praxis gar nicht erfüllbar sind. Das versuchen manche Datenschutzbehörden „pragmatisch“ zu lösen, indem sie beispielsweise die Rechtsgrundlage „berechtigtes Interesse“ sehr weit und die Informationspflichten und Betroffenenrechte sehr eng interpretieren wollen. Nur: Überall da, wo ich nur noch auf der Grundlage solcher Abwägungen arbeiten kann, bewege ich mich auf ganz dünnem Eis. Denn das Ergebnis einer rechtlichen Auseinandersetzung ist da kaum vorhersehbar und ich unterliege im Zweifel schlicht der Willkür des jeweiligen Sachbearbeiters.

Was halten Sie von einigen Landesdatenschutzbehörden geäußerte Ansicht, dass in jedem Fall die Aufnahme von Bildern nach dem Datenschutzrecht, den Regeln der DS-GVO zu behandeln sei?

Diese Ansicht vertreten viele Datenschützer schon länger. Bis zum 25. Mai 2018 war die rechtliche Trennung zwischen „Aufnahme“ und „Verbreitung“ aber eben eine totale Mindermeinung. Denn die Zivilgerichte, die für das Fotorecht und streitige Äußerungen zuständig waren, haben bis zum BGH meist völlig klar erklärt, dass im Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und Datenschutz im Zweifel der Art. 5 GG vorgeht. Denn die Prinzipien einer generellen Freiheit, die bis zur Grenze der konkreten Rechtsverletzung besteht, steht dem Ansatz eines generellen Verbots der Verarbeitung personenbeziehbarer Daten, wenn nicht ausnahmsweise eine Rechtfertigung im Gesetz steht, so diametral entgegen, dass die Rechtsprechung auch bei Personenabbildungen die Lösung allein über das speziellere KUG gesucht hat. Das erscheint mir immer noch richtig, denn die öffentliche Verbreitung einer Personenabbildung ist der viel erheblichere Eingriff, als die vorangegangene Aufnahme. Bedarf es jedoch für die „schlimmere“ Verbreitung keiner Einwilligung des Betroffenen, dann kann erst Recht für die vorgelagerte „harmlosere“ Aufnahme nichts anderes gelten, soweit da keine besonderes Verbot greift. Wäre es anders, wären unter Geltung der DSGVO beispielsweise heimliche Aufnahmen im investigativen Journalismus kaum mehr zu rechtfertigen.

Ist das KUG Ihrer Ansicht nach geeignet, den angemessenen Ausgleich zwischen Persönlichkeitsrechten und den Interessen von Presse, Gesellschaft und Kultur an Bildaufnahmen zu schaffen? Braucht es nicht im Internet-Zeitalter eine härtere Regulierung, eben gerade eine besonders harte Gesetzgebung wie die DS-GVO?

Das KUG hat es gemeinsam mit einer sehr ausdifferenzierten Rechtsprechung über 100 Jahre lang geschafft, im Bereich der Bildrechte zum Teil sehr heftige Konflikte zu lösen, ohne die Freiheit im Übermaß zu beschränken. Im Internet sind und waren es vor allem Vollzugsdefizite, die zu Friktionen führen. Gerade diese sollten mit der DSGVO gelöst werden. Ob dieses Versprechen aber eingelöst wird, muss sich erst erweisen.

Mir scheint, dass im Moment Facebook & Co. am wenigstens unter den Problemen der Unausgegorenheit der DSGVO und der mangelhaften Anpassung des Rechts in Deutschland zu leiden haben. Eine politische Entscheidung oder auch nur eine gesellschaftliche Debatte, dass die Meinungs- und Informationsfreiheit mit Hilfe des Datenschutzes beschnitten werden müsste, ist mir dagegen nicht bekannt.

Wer die DSGVO dafür missbrauchen will, der schadet dem berechtigten Anliegen des Datenschutzes mindestens ebenso, wie unserer Demokratie.

Kann davon gesprochen werden, dass einige Landesdatenschutzbehörden kein angemessenes Verständnis für die politische, gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung der Fotografie haben, und wie erklären Sie sich das?

Zum Teil mag das wirklich bei einzelnen Verantwortlichen gegeben sein. Ich glaube aber, dass es meist „nur“ die Fixierung auf das Datenschutzrecht und der Tunnelblick des öffentlichen Rechts ist, der hier zu problematischen Einschätzungen führt. Und auch der Bundesgesetzgeber hat halt kaum etwas mit Fragen des Äußerungsrechts zu tun – das ist ja traditionell Gegenstand des Landesrechts. Viele der Aufsichtsbehörden versuchen zudem ja, das Problem zu lösen, indem sie beispielsweise die Anwendung des neuen Rechts im Bereich der Fotografie von Großveranstaltungen oder beim „Beiwerk“ für „unmöglich“ erklären. Oder empfehlen, man solle trotz der unklaren Rechtslage einfach weitermachen wie bisher – sie würden deswegen schon kein Bußgeld verhängen. Gleichzeitig wird auch dort aber zunehmend klarer, dass man das bisherige Versäumnis des Gesetzgebers nicht rechtssicher „heilen“ kann. Denn die Landesdatenschutzbeauftragten sind vielleicht unabhängig, aber eben doch nur „Behörde“ und nicht der Gesetzgeber.

In allen Landespressegesetzen, Landesmediengesetzen, Rundfunkgesetzen und einigen Landesdatenschutzgesetzen wurden Ausnahmeregelungen von der DS-GVO geschaffen. Warum genügen diese aus Ihrer Sicht nicht? Und wie erklären Sie sich, dass es in einigen Bundesländer Freistellungen von der DS-GVO für die Meinungs- und Informationsarbeit auch von einzelnen Bürgern gibt, in anderen Bundesländern solche expliziten Regelungen fehlen?

In den Ländern, wie etwa in Berlin bezüglich des KUG, haben die Parlamente erkannt, dass es ein echtes Problem gibt und versucht, das im Rahmen ihrer Zuständigkeit so gut wie möglich durch Landesrecht zu lösen. In Berlin haben Blogger oder freie Fotografen auch ohne konkreten Auftrag einer Redaktion weiterhin Fotofreiheit wie früher. Für Pressestellen in Behörden, Unternehmenssprecher oder gar solche von politischen Parteien, gilt das dagegen nicht. Sie sind alles, aber eben nicht „Journalisten“ und wollen das auch gar nicht sein. Hier muss der Bund in Zuständigkeit für das allgemeine Zivilrecht und für Jedermann schlicht endlich tun, was in anderen Ländern der EU bereits geschehen ist: Die Informations- und Meinungsfreiheit von widersprechenden Regelungen der DSGVO im notwendigen Umfang freistellen und so auch die Anwendbarkeit des KUG im bisherigen Bestand juristisch absichern.

Was schlagen Sie bzw. der von Ihnen vertretene Verband vor, um die Probleme aus der Welt zu schaffen?

Der BdP spricht sich ganz klar für eine bundesgesetzliche Regelung aus. Am besten im Rahmen des Bundesdatenschutzgesetzes und noch bis Herbst dieses Jahres muss das Parlament – notfalls eben gegen die bisherige Auffassung der Bundesregierung – das KUG und die Meinungs- und Informationsfreiheit absichern. Die DSGVO bietet mit Art. 85 DSGVO alle notwendigen Spielräume dafür, auch für Bereiche außerhalb des Journalismus und der Medien. Über Details eines solchen Gesetzes, wie es etwa der Deutsche Anwaltsverein oder der DJV vorschlagen, wird man sicherlich noch diskutieren müssen. Denn es soll ja kein Schlupfloch für problematische Geschäftsmodelle und Missbrauch entstehen. Aber mit Blick auf die überragende Bedeutung des Art. 5 GG muss auch für die Zukunft vorrangig gelten, dass jedermann das Recht hat, „seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“ – und diese Freiheit in Zeiten der DSGVO nicht etwa nur noch für Presse und Rundfunk gesichert ist.

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