Datenschutzbehörden (und Medien) schuld an Chemnitzer Journalistensperre?

Ein ZDF-Team wurde für die Dauer von 45 Minuten von Polizisten am Filmen auf einer Pegida-Demonstration in Dresden gehindert, Einzelheiten dazu im DJV-Blog „augenzeugen“. Hintergrund des polizeilichen Eingriff war eine Strafanzeige eines Demonstrationsteilnehmers wegen der Verletzung seines Datenschutzes. Der Demonstrant war der Ansicht, das ZDF-Team habe kein Recht, Aufnahmen seiner Person ohne seine Einwilligung anzufertigen.

Es besteht jedoch ein Recht auf Bildaufnahmen von Veranstaltungen, so legt es der § 23 Absatz 1 KUG fest. Das gilt nicht einmal nur für Journalisten, sondern für jedermann. Die reine Aufnahme von Personen kann auf Veranstaltungen daher nicht verboten werden. Auf die Einwilligung der Abgebildeten kommt es nicht an. Nach § 23 Absatz 2 KUG besteht lediglich die Möglichkeit, sich gegen die Verbreitung von bereits angefertigten Aufnahmen zu wehren, wenn durch die Verbreitung berechtigte Interessen der abgebildeten Person verletzt würden. Allenfalls dann, wenn zu befürchten wäre, dass sich die betreffene Person nicht an die Vorgaben des KUG und des Persönlichkeitsrechts hält, könnte bereits die Aufnahme unzulässig sein. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei einem Pressevertreter allerdings davon auszugehen, dass er sich „rechtstreu“ verhält.

Zunehmend ist allerdings die Auffassung verbreitet, dass bereits die Aufnahme von Personen eine Einwilligung erfordert. Das liegt vor allem an der Datenschutz-Grundverordnung, die seit dem 25. Mai 2018 anzuwenden ist. Auch die Medien sind mitschuld: sie haben zum Teil um den 25. Mai 2018 Meldungen gebracht, denen zufolge eine Datenverarbeitung nur noch zulässig sei, wenn die Einwilligung der betroffenen Personen vorliege.  Da die Aufnahme von Bildern und deren Verbreitung als Datenverarbeitung eingestuft wird, überrascht kaum, dass einzelne Bürger jetzt der Auffassung sind, sie müssten ihre Einwilligung erteilen.

„Nichts geht ohne Einwilligung“: mit solchen Veröffentlichungen sorgten renommierte Medien für eine Fehlinformation von Bürgern. Foto: Hirschler

Hinzu kommen Verlautbarungen einiger Landesdatenschutzbehörden. In deren Publikationen gibt es Ausführungen, denen zufolge die Geltung des KUG zweifelhaft und allein die DS-GVO Maßstab für Bildaufnahmen sei. Die Datenschutzbehörden in Brandenburg und Hamburg erklärten sogar, dass die Aufnahme von Bildern noch nie dem KUG unterlegen hätte und dafür schon immer die datenschutzrechtliche Einwilligung der abgebildeten Personen hätte vorliegen müssen. Damit liegen sie zwar im Gegensatz zur Ansicht der maßgeblichen juristischen Kommentare, tragen aber in der Öffentlichkeit zur Verwirrung bei.

Vielleicht nicht ganz unabsichtlich: in einer Erklärung vom 9. November 2017 hatte sich die Konferenz der Landesdatenschutzbehörden sogar gegen Regelungen ausgesprochen, mit denen die Presse vom Datenschutz ausgenommen wird.

Da hilft es offenbar wenig, dass die Landesparlamente längst Gesetze verabschiedet haben, nach denen die Presse am Ende doch von der Anwendung der DS-GVO im Wesentlichen ausgenommen ist. Auch kaum zur Kenntnis genommen wurde offenbar ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln, in dem festgestellt wurde, dass das KUG auch nach dem 25. Mail 2018 gilt.

Auf Grund der recht vagen und verwirrenden Verlautbarungen von Datenschützern und auch einiger Medien ist eine Situation entstanden, in der viele Personen glauben, dass Bildaufnahmen von ihrer Einwilligung abhängig sind.

Für Reporter ist das äußerst problematisch: wenn die Polizei bei jeder „Datenschutzanzeige“ erst einmal einen Prüfungsprozess mit Feststellung der Personalien startet, kann die Presse einpacken. Denn bis zum Abschluss der Identitätsfeststellung sind entscheidende Momente vorüber. Es sollte der Polizei eigentlich klar sein, dass eine solche Anzeige wegen der (Weiter-)Existenz des KUG sowie wegen der Sonderrechte der Presse grober Unfug ist.

Das Argument der Polizei: „Es wurde eine Anzeige erstattet, der mussten wir zwingend nachgehen“, überzeugt wenig. Nach dieser Logik könnte jeder Demonstrant auch behaupten: „Hilfe, das ZDF bestrahlt  die Demonstranten mit Kopfschmerz auslösenden Hochfrequenz-Laserstrahlen“, und die Polizei müsste das Team bei jeder neuen Laser-Anzeige erneut festhalten. Was die Polizei bei einer solchen Anzeige natürlich nicht machen würde. Es sollte der Polizei natürlich klar sein, dass eine Anzeige gegen ein Presseteam wegen Datenschutzverletzung genauso absurd ist wie die Beschuldigung, mit Laserstrahlen zu arbeiten. Absurde Anzeigen kann die Polizei selbstverständlich auf sich beruhen lassen.

Red.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.