Alles Mögliche im Datenschutzanpassungsgesetz, Fotofreiheit nur Randthema bzw. Forderung
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Über 150 Gesetze wurden letzte Woche mit dem „Zweiten Datenschutzanpassungsgesetz“ geändert. Die Bundesregierung will die bundesdeutsche Gesetzeslandschaft mit der seit Mai 2018 wirksamen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) kompatibel machen. Ob Grundbuchordnung, Schuldnerverzeichnis oder Testamentsregister, überall wurde erkannt, dass es noch etwas feinzutunen gibt.
Ausgerechnet bei der Fotofreiheit, die als Grundrecht auf freie Meinungsäußerung „per Bild“ sogar explizit im Artikel 5 Grundgesetz genannt wird, verlor der Gesetzgeber jedoch das Interesse. Es gibt Probleme bei der freien Fotografie? Fotografinnen, denen Bürger die Kamera wegreißen, weil sie der Meinung sind, der „Datenschutz“ würde Fotos in jeder Situation verbieten? Wutbürger, die mit dem Argument auf Filmteams der Rundfunkanstalten losgehen?
Alles offensichtlich nicht von Interesse für die Regierungskoaliton, jedenfalls nicht im aktuellen Gesetzestext. Hauptsache, deutsche Testamente sind datenschutzkonform. Das Testament für die freie Fotografie wurde ja schon geschrieben, es heißt – DSGVO…
Auch wenn die freie Fotografie im aktuellen Anpassungsgesetz also wieder einmal übergangen worden ist, gibt es am Ende doch noch eine kleine Hoffnung. Ganz leer ausgehen lassen wollte „Berlin“ die Fotografie dann doch nicht gegenüber den „Brüsseler“ Gesetzen. So findet sich in den Gesetzesunterlagen auch ein im Innenausschuss des Deutschen Bundestages durchgesetzter Beschluss mit einer Aufforderung an die Bundesregierung. Darin wird gefordert, denmächst Gesetzesentwürfe vorzulegen, mit denen die Fotofreiheit gerade im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit besser gewährleistet werden kann (die Fotofreiheit in den Medien ist durch die Landesmediengesetze weitgehend gewährleistet).
Hier der Beschluss, der (etwas) hoffen lässt: (Hervorhebungen stammen von unserer Redaktion)
I. Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages stellt fest:
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 18. Oktober 2018 (Beschluss, BR-Drs. 430/18) zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAn-pUGEU) festgestellt, dass in der Praxis Unsicherheiten über die Fortgeltung bewährter nationaler Vorschriften zum Schutz der Persönlichkeitsrechte fortbestehen, etwa hinsichtlich des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG) und des Telemediengesetzes (TMG).
Die Bundesregierung wurde gebeten, zu prüfen, ob und in welchem Umfang bisher zentrale Regelungen wie zum Beispiel das KunstUrhG und das TMG auch nach dem 25. Mai 2018 fortgelten.
Artikel 85 DSGVO berechtigt und verpflichtet die europäischen Mitgliedstaaten, das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf Meinungsfreiheit in Einklang zu bringen. Für den Medienbereich haben die Bundesländer bereits Regelungen in ihrem Kompetenzbereich geschaffen.
Doch mit Blick auf Meinungs- und Informationsfreiheit insgesamt und für jeden Einzelnen sowie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit außerhalb des Anwendungsbereichs des Landesmedienrechts, stellt sich die Frage, inwieweit Handlungsbedarf auch für den Bundesgesetzgeber besteht. Nicht zuletzt die aktuelle Debatte um die datenschutzrechtliche Zulässigkeit von Medienberichterstattung zeigt den Bedarf, auch auf bundesgesetzlicher Ebene im Sinne des Artikel 85 tätig zu werden, Datenschutz und Meinungsfreiheit in Einklang zu bringen und somit Rechtssicherheit zu schaffen.
Die Rechtsprechung in Deutschland hat den Ausgleich zwischen diesen beiden Grundrechten durch differenzierte Entscheidungen bislang im Einzelfall gewährleistet und sollte als Maßstab für die weitere Abwägung gelten. Eine zu schaffende Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu Zwecken der Meinungsäußerung müsste daher auch künftig eine Abwägung zwischen den betroffenen Grundrechten zulassen, ohne einem den grundsätzlichen Vorrang einzuräumen.
Datenverarbeitung zur Ausübung der Meinungsfreiheit muss auch weiterhin zulässig sein, sofern nicht die Interessen und Grundrechte der betroffenen Personen überwiegen, die den Schutz personenbezogener Daten betreffen. Die zu schaffende Rechtsgrundlage müsste zudem von einer Regelung flankiert werden, die die Anwendung der Betroffenenrechte sowie der übrigen datenschutzrechtlichen Nebenpflichten und behördlichen Kontrollmöglichkeiten der Kapitel zwei bis neun der Datenschutz-Grundverordnung im Rahmen der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Meinungsäußerung in das Abwägungsgefüge einbettet, um eine mögliche Selbstbeschränkung bei der Ausübung der Meinungsfreiheit („chilling effect“) zu verhindern.
II. Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages fordert die Bundesregierung auf:
1. einen Regelungsvorschlag zur Umsetzung von Artikel 85 Absatz 1 DSGVO in Abstimmung mit den Ländern sowie unter Beachtung der dem Bund zustehenden Gesetzgebungskompetenz vorzulegen,
2. darin insbesondere eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken der Meinungsäußerung zu schaffen und dadurch die notwendige Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu eröffnen, ohne einem der Rechte einen grundsätzlichen Vorrang einzuräumen und
3. zu prüfen, wie der Umfang möglicher Einschränkungen der Anwendbarkeit der Kapitel II bis IX der DSGVO bei der Datenverarbeitung zur Ausübung der Meinungsfreiheit angepasst werden muss, um das Risiko von Vorfeldeinschüchterung zu minimieren und eine Klarstellung vorzunehmen, wonach die spezialgesetzlichen Regelungen wie das KunstUrhG weiter Anwendung finden und die Landesmediengesetze gegebenenfalls vorrangig sind.
Red.