SPD konkretisiert Reformvorschläge mit unkonkreten Gesetzesklauseln

Meinungs- und Informationsfreiheit sowie die freie Fotografie stehen in Deutschland seit dem In-Kraft-Treten der DSGVO unter starkem Druck. Zahlreiche Bürger, Vereine oder Firmen trauen sich nicht mehr, wie bisher über Ereignisse angemessen zu berichten oder zu bestimmten Themen / Personen detailliert Positionen zu beziehen. Fotografische Aufträge wie für die Berichterstattung von Veranstaltungen wurden gecancelt, viele Fotograf/inn/en hatten Auftragseinbrüche von 50 Prozent, in manchen Fällen sogar 80 Prozent. Im „puren“ Journalismus war die Situation nicht ganz so dramatisch, weil der DJV zusammen mit anderen Medienverbänden eine weitgehende Freistellung der journalistischen Arbeit von der DSGVO in den Landesgesetzgebungen erreicht hat. Regelungen, nach denen die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von der DSGVO entsprechend der Presse freizustellen ist, gibt es nur in einigen Landesgesetzgebungen, etwa Berlin. Da viele freie Fotojournalist/inn/en als zweites Standbein auch in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aktiv sind, ist das ein Problem, um das sich auch der DJV kümmert. Hinzu kommt das Problem, dass Landesdatenschutzämter durch ihre Argumentationen auch die Anfertigung und Verbreitung von solchen Fotos behindern, die noch nicht klar für eine Mediennutzung bestimmt sind, etwa Datenbankbilder.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat ihre Ankündigung zu Reformvorschlägen im Datenschutzrecht konkretisiert, allerdings mit recht unkonkreten Gesetzesklauseln.

Die Regeln sollen also anders sein als in der Landesgesetzgebung, in der im Fall der Presse bzw. im Rundfunk die DSGVO fast komplett „weg“ ist, weil nur eine Verpflichtung auf eine rein journalistische Nutzung erfolgt sowie eine angemessene Organisation und Technik für die Datenverarbeitung verlangt wird. In der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit soll die DSGVO laut dem Text nur dann anwendbar sein, wenn ihre Geltendmachung „angemessen“ erscheint. Damit wird im Prinzip nicht für Klarheit gesorgt, vielmehr Unsicherheit produziert. Gilt die DSGVO? Gilt sie nicht? Kann nach dem Gesetzestext niemand sagen, wenn eine Fotoberichterstattung stattfindet. Denn was heißt schon „angemessen“? Ist es „angemessen“, dass die DSGVO verbietet, Fotos anzufertigen, aus denen die Religions- oder Gewerkschaftsangehörigkeit zu erkennen ist? Ist es „angemessen“, dass die DSGVO im Regelfall die Information von fotografierten Personen verlangt, bevor eine Aufnahme erfolgt? Und was ist mit dem Kunsturhebergesetz (KUG), das in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wird?

Der SPD-Vorschlag scheint hier noch einen halben Ausweg zeigen zu wollen, indem er vorsieht, dass von dieser Angemessenheitsprüfung bestimmte Punkte wieder ausgenommen werden sollen. Auch hier sorgt die Formulierung für gewisse Konfusion: soll die Ausnahme bedeuten, dass bestimmte Regelungen der DSGVO doch zwingend gelten sollen – oder umgekehrt, dass bestimmte Punkte der DSGVO definitiv ausgeschlossen sind und daher in keinem Fall gelten sollen?

Die richtige Lösung, die für Rechtssicherheit sorgen würde, wäre die Freistellung von der DSGVO im Bereich der Meinungs- und Informationsfreiheit sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ganz in der Art und Weise, wie es für die Medien nach der Landesgesetzgebung der Fall ist. Zugleich wäre es sinnvoll, die Geltung des Kunsturhebergesetzes (KUG) auch gesetzlich klarzustellen, da dessen Gültigkeit derzeit von Landesdatenschutzämtern – trotz gegenteiliger Mitteilungen der Bundesregierung – in Zweifel gestellt wird. Außerdem sollte in das KUG ein Passus aufgenommen werden, der klarstellt, dass es nicht nur für die Verbreitung, sondern auch die Aufnahme von Fotos/Filmen gilt. Denn auch wenn die Rechtsprechung schon lange davon ausgeht, dass eine nach KUG zulässige Verbreitung eines Bildes auch die Zulässigkeit der Aufnahme impliziert: Es versuchen derzeit vor allem die Landesdatenschutzämter, wenn sie nicht schon das KUG als Ganzes juristisch weg zu argumentieren versuchen, dann zumindest die Meinung zu verbreiten, das KUG gelte nicht für die Aufnahme von Fotos, weil für diese stets die DSGVO gelte.

Hier der Textvorschlag aus dem Blogbeitrag:

„7a BDSG-neu – Datenverarbeitung zu Zwecken der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit

(1) Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist zulässig, sofern sie zu Zwecken des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken stattfindet und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen am Schutz ihrer personenbezogenen Daten nicht überwiegen.

(2) Spezielle Regelungen des Bundes- und Landesrechts zur Zulässigkeit der Verarbeitung zu den in Art. 85 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Zwecken der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit sowie der Verarbeitung zu wissenschaftlichen, künstlerischen, journalistischen oder literarischen Zwecken, einschließlich der Veröffentlichung, bleiben unberührt.

(3) Die Rechte der Betroffenen des Abschnitt II bis IX der Verordnung (EU) 2016/679 gelten nur, sofern sie unter Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu wissenschaftlichen, künstlerischen, journalistischen oder literarischen Zwecken angemessen sind. Satz 1 gilt nicht für Artikel xx, xx, xx.

(4) Führt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Absatz 1 zur Verbreitung von Gegendarstellungen der betroffenen Person oder zu Verpflichtungserklärungen, Gerichtsentscheidungen über die Unterlassung der Verbreitung oder über den Widerruf des Inhalts der Daten, so sind diese Gegendarstellungen, Verpflichtungserklärungen, Gerichtsentscheidungen und Widerrufe zu den gespeicherten Daten zu nehmen und dort für dieselbe Zeitdauer aufzubewahren, wie die Daten selbst sowie bei einer Offenlegung der Daten gemeinsam offenzulegen.

Zu dem Text gibt es dann noch die Einschränkung: „Wir prüfen derzeit bei Absatz 3 im Detail, welche Betroffenenrechte im Einzelnen auszunehmen bzw. anzupassen sind, um eine mögliche Selbstbeschränkung  bei der Ausübung der Meinungsfreiheit (chilling effect) zu verhindern.“

Michael Hirschler, hir@djv.de

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