DSGVO und Fotofreiheit in Frankreich
Fotografie nur noch von (berühmten) Toten möglich? Im Pariser Pantheon fanden einige ihre letzte Stätte. Foto: Hirschler
Die DSGVO heißt in Frankreich abgekürzt: RGPD. Zu diesem Thema lässt sich freilich derzeit noch recht wenig (online frei Verfügbares) finden, so dass wir an dieser Stelle leider noch keinen so richtig überzeugenden Link auf eine sinnvolle Info-Seite aus Frankreich posten können. Auch die französische Datenschutzbehörde CNIL hat hier derzeit noch nichts Ausführlicheres zu bieten (Tipps werden aber gerne entgegengenommen, auch als Kommentar).
Zumindest können wir aber zumindest selbst die Gesetzes-Exegese vornehmen und kommen zum Schluss: Auch in Frankreich gibt es Ausnahmen von der Anwendung der DSGVO auf die Medien. So will es der Artikel 67 des Gesetzes bezüglich der Informatik, der Datenbanken und der Freiheiten“ („Loi n° 78-17 du 6 janvier 1978 relative à l’informatique, aux fichiers et aux libertés„).
Kurzer Hintergrund: auch wenn die DSGVO beziehungsweise RGPD auch in Frankreich direkte Gesetzeskraft hat, lässt sie Sonderregelungen oder präzisierende Bestimmungen zu, beispielsweise durch Artikel 85 DSGVO/RGPD auch im Medienrecht. Diese Ausnahmen sind in dem genannten Gesetz („Loi n° 78-17“) geregelt.
Artikel 67 dieses Gesetzes stellt fest, dass die journalistische Tätigkeit von verschiedenen Bestimmungen der DSGVO ausgenommen ist, soweit die Tätigkeit in den Grenzen der Berufsethik erfolgt. Ebenfalls ausgenommen sind die literarische und künstlerische Tätigkeit. Das gilt für alle Personen, die in Frankreich ansässig sind. Das heißt: wer sich über ein Foto in „Paris Match“ aufregt, muss sich mit französischem Recht befassen, auch wenn das Magazin im deutschen Bahnhofskiosk ausliegt.
Gleichzeitig stellt das Gesetz klar, dass trotz der (Teil-)Ausnahmen von der DSGVO immer noch die sonstigen zivil- und strafrechtlichen Regelungen für Publikationen einschließlich des Gegendarstellungs- und Schadensersatzrechts gelten.
Artikel 5 dieses Gesetzes stellt zudem fest, dass das französische Datenschutzrecht immer dann gilt, wenn die für die Datenverarbeitung verantwortliche Person ihren Sitz in Frankreich hat, wobei in bestimmten außereuropäischen Gebieten des Landes noch einmal Sonderregelungen oder sogar noch das alte französische Datenschutzrecht gelten.
Die Bestimmungen im französischen Datenschutzrechts, von denen im Interesse der Medienfreiheit die Ausnahmen erfolgen:
Artikel 8, der vorschreibt, dass bestimmte persönliche Daten wie rassische/ethnische Herkunft, Geschlecht oder sexuelle Orientierung nicht oder nur unter bestimmten besonderen Umständen verarbeitet werden dürfen.
Demnach können Fotojournalist/inn/en und künstlerisch Fotografierende Fotos ohne Bedenken Fotografien von Personen anfertigen, bei denen diese Daten bereits durch das Bild selbst zum Ausdruck kommen, genauso wie entsprechende Angabe in Veröffentlichungen (oder auch der Beschriftung der Bilddateien) zuläsig sind. Gleiches gilt natürlich auch für Videos.
Artikel 9, der die Verarbeitung von Daten über Straftaten oder Urteilen nur ganz bestimmten Stellen erlaubt.
Entsprechend könnten Fotojournalist/inn/en weiterhin Fotografien von Straftätern anfertigen bzw. verbreiten. Gleiches gilt dann auch für Personen, die Videos anfertigen bzw. verbreiten.
Artikel 32, der die Information von Personen vorsieht, deren Daten verarbeitet werden.
Fotojournalist/innen und künstlerische Fotograf/inn/en können demnach Personen fotografieren und diese Bilder veröffentlichen, ohne die abgebildeten Person über Aufnahme oder Verbreitung zu informieren.
Artikel 39, der Rechte von Personen vorsieht, deren Daten verarbeitet werden, die beispielsweise in einem Recht auf Auskunft über die Datenverarbeitung besteht, außerdem Korrekturansprüche sowie auch das Recht auf den Transfer von Daten festlegt.
Demnach ist das journalistische Datengeheimnis geschützt, es kann also beispielsweise nicht von Journalistinnen und Journalisten verlangt weren, umfangreiche Informationen über ihre (Bild-)Datenbestände zu erteilen.
Artikel 40 Absatz 1, der den Anspruch auf Löschung von Daten vorsieht.
Demnach kann eine Löschung von Bildern, die journalistisch genutzt
werden oder zu diesem Zweck vorgehalten werden (z.B. in
Bilddatenbanken), nicht gefordert werden.
Artikel 68 und 69, in denen die Datenverarbeitung außerhalb der Europäischen Union nur unter strengen Ausnahmeregelungen erlaubt wird.
Foto- und TV-Journalistinnen und -Journalisten sowie künstlerisch Fotografierende (und Filmende) können daher weiterhin Bilddaten auch ins Ausland versenden oder dort speichern bzw. verarbeiten lassen.
Artikel 70, der die Datenverarbeitung auch sensibler persönlicher Daten im Sinne von Artikel 8 DSGVO wie etwa politische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Religion oder sexuelle Orientierung unter bestimmten Bedingungen durch staatliche Stelle für die Strafverfolgung und/oder zur Gefahrenabwehr zulässt.
Der Hinweis in Artikel 67 auf Artikel 70 dürfte so zu verstehen sein, dass staatlichen Stellen die Verarbeitung der von Journalistinnen und Journalisten erstellten Daten nicht erlaubt wird, d.h. der journalistische Quellenschutz durch diese Regelung nicht ausgehebelt wird.
Die Regelung im Wortlaut:
Chapitre XI – Traitements de données à caractère personnel aux fins de journalisme et d’expression littéraire et artistique.
Article 67
Modifié par la loi n°2018-493 du 20 juin 2018
Le 5° de l’article 6, les articles 8, 9, 32, et 39, le I de l’article 40 et les articles 68 à 70 ne s’appliquent pas aux traitements de données à caractère personnel mis en oeuvre aux seules fins :
1° D’expression littéraire et artistique ;
2° D’exercice, à titre professionnel, de l’activité de journaliste, dans le respect des règles déontologiques de cette profession.
En cas de non-respect des dispositions de la loi applicables aux traitements prévus par le présent article, le responsable du traitement est enjoint par la Commission nationale de l’informatique et des libertés de se mettre en conformité avec la loi.
Les dispositions des alinéas précédents ne font pas obstacle à l’application des dispositions du code civil, des lois relatives à la presse écrite ou audiovisuelle et du code pénal, qui prévoient les conditions d’exercice du droit de réponse et qui préviennent, limitent, réparent et, le cas échéant, répriment les atteintes à la vie privée et à la réputation des personnes.
Ausnahmen in bestimmten Departments/Territorien
Die Geltung der DSGVO ist übrigens in einigen außereuropäischen Gebieten Frankreich eingeschränkt, hier gilt dann lediglich das nationale Datenschutzrecht. Eine Übersicht zu solchen Gebieten (etwa Neukaledonien) findet sich hier.
Ältere (Kurz-)Darstellungen
Die französische Regierung informiert auf einer speziellen Seite (Stand allerdings: 2017) über das Recht am Bild aus ihrer Sicht. Dort findet sich auch eine Mustereinwilligungserklärung in französischer Sprache.
Kurze Darstellungen in Jura-Blogs
Im juristischen Blog „Aeon“ gibt es zur neuen Rechtslage einen etwas längeren, aber eher etwas allgemein gehaltenen Beitrag „Droit à l’image et données personnelles : des deux faces de la médaille“ von Audrien Aulas.
(Hinweise auf weitere Veröffentlichungen gerne per E-Mail oder per Kommentarfeld)
Michael Hirschler, hir@djv.de